You are on page 1of 4

Ich war krank und ihr

habt mich besucht

Amen, ich
sage euch: Was
ihr für einen
meiner
geringsten
Brüder getan
habt, das habt
ihr mir getan.

Mt 25,31-46
Rom, Advent 2021

DIE KRANKEN UND ÄLTEREN MENSCHEN,


GESTALTER EINER STRAHLENDEN
UND HOFFUNGSVOLLEN ZUKUNFT

Liebe Mitglieder der vinzentinischen Familie,

Die Gnade und der Friede Jesu seien immer mit uns!

Alljährlich bietet uns die Kirche das Geschenk der Gnadenzeit des „Advents“ an, die uns hilft, unser
Herz und unseren Geist in besonderer Weise auf die Weihnachtszeit vorzubereiten. Als Fortsetzung
der Betrachtung über den heiligen Vinzenz von Paul, den „Mystiker der Nächstenliebe“, lade ich uns
alle in dieser Adventszeit ein, über die unbestrittene und lebenswichtige Mission der kranken und
älteren Menschen in der Kirche und in der Welt, und somit auch in unseren Kongregationen, Vereinen,
Gemeinschaften, Familien und Gruppen nachzudenken.

Wenn einerseits die Gesellschaft die Kranken und Alten so oft als nutzlos für die Entwicklung
einer strahlenden und hoffnungsvollen Zukunft der Menschheit betrachtet, so räumt andererseits Jesus
in der Bibel mit all diesen Vorurteilen auf und weist den kranken und älteren Menschen eine bevorzugte
Rolle in der Mission zu, die der Vater ihm anvertraut hat, um alle Menschen zu ihm, an sein Herz zu
führen, damit das Reich Gottes anbrechen kann.

Diese biblische Umkehrung ergibt sich aus einer radikalen Unterscheidung, wer tatsächlich im
Mittelpunkt des Geschehens steht. Wer ist derjenige, der unserem Leben, unserem Tun und dem, wofür
wir alle unsere Gaben und Talente einsetzen, die volle Bedeutung gibt? Wer ist die eigentliche Quelle des
Glücks und der Freude? Nicht der Mensch ist es, der an erster Stelle steht, sondern Gott.

Die Gesellschaft stellt den Menschen oft in den Mittelpunkt, sofern er körperlich und geistig
gewinnbringend ist; Gott hat keinen Platz, oder wenn doch, steht er an dritter oder vierter Stelle, je nach
den egoistischen Einstellungen des Einzelnen. Die logische Schlussfolgerung ist, dass die kranken und
älteren Menschen irgendwann, wie Papst Franziskus oft sagt, „zu Verstoßenen unserer Gesellschaften“
werden (vgl. Fratelli tutti, 19-20, 278), die nicht mehr nützlich sind, um zu einer leuchtenden und
hoffnungsvollen Zukunft der Menschheit beizutragen.

Der heilige Vinzenz spricht wiederholt von der Rolle der Kranken:
„Ich habe des Öfteren gesagt und kann nicht umhin, auch jetzt wieder darauf hinzuweisen. Die
in einer Gemeinschaft an einer Krankheit leidenden Mitglieder sind ein Segen für eben diese
Gemeinschaft und für das Haus. Dies müssen wir umso mehr als Wahrheit erkennen, als unser Herr
diesen Zustand des Leidens liebte, ihn an sich selbst erfahren wollte und Mensch wurde, um zu
leiden“ (Coste XII, 29-30; Konferenz 184, „Der gute Gebrauch von Krankheiten“, 28. Juni 1658).

„Wir haben Grund, Gott für seine Güte und Barmherzigkeit zu loben, denn es gibt in der Genossenschaft
Gebrechliche und Kranke, die ob ihrer Schwäche und Leiden ein Schauspiel der Geduld bieten, in dem
sie alle Tugenden in ihrer ganzen Schönheit präsentieren. Wir müssen Gott danken, solche Menschen
zu haben. Ich habe schon öfter gesagt, und ich kann nicht umhin, es zu wiederholen, dass wir jene,
die in der Genossenschaft von Krankheit heimgesucht sind, ein Segen für diese Genossenschaft sind“
(Coste XI, 73; Konferenz 55, „Nützlichkeit und guter Gebrauch der Krankheiten“).

„Aber für die Genossenschaft, arme Genossenschaft! Oh, dass man niemals etwas Besonders erlaubt,
weder was die Nahrung noch was die Kleidung anlangt. Ich nehme immer die Kranken aus, oh die
armen Kranken! Um ihnen zu helfen, müsste man sogar die Kelche der Kirche verkaufen. Gott hat
mir eine so große Liebe für sie gegeben und ich bitte ihn, der Genossenschaft auch diesen Geist zu
geben“ (Coste XII, 410; Konferenz 220, „Über die Armut“, 5. Dezember 1659).

In seiner Botschaft zum ersten Welttag der Großeltern und älteren Menschen führt Papst
Franziskus den emeritierten Papst Benedikt an, „einen heiligmäßigen Greis, der weiterhin für die Kirche
betet und wirkt,“ und er fährt fort: „Das Gebet der alten Menschen kann die Welt schützen und ihr vielleicht
entscheidender helfen als die rastlosen Anstrengungen vieler Menschen“. Und weiter sagt Papst Franziskus:
„Das hat er (Papst Benedikt) 2012, fast am Ende seines Pontifikats gesagt. Das ist schön. Dein Gebet ist ein
sehr kostbares Gut: es ist eine Lunge, welche die Kirche und die Welt dringend brauchen“.

Der Papst betont auch: „Denn es gibt kein Pensionsalter für die Aufgabe der Verkündigung des
Evangeliums” und er beschreibt die Berufung der älteren Menschen so: „Unsere Wurzeln zu bewahren,
den Glauben an die Jungen weiterzugeben und sich um die Kleinen zu kümmern“ (Botschaft des Papstes
zum 1. Welttag der Großeltern und der älteren Menschen, 25.Juli 2021).

Bei einer Reihe von Katechesen über die Familie meinte Papst Franziskus: „Die älteren
Menschen sind die geistige Reserve unseres Volkes! [...] Wir müssen das kollektive Gefühl der Dankbarkeit,
Wertschätzung, Gastfreundschaft wecken, das den Effekt hat, dass der ältere Mensch sich als lebendiger
Teil seiner Gemeinschaft fühlt.“ Eine Gesellschaft, die es nicht versteht, die Dankbarkeit und die Liebe zu
den älteren Menschen zu zeigen, „ist eine pervertierte Gesellschaft. Die Kirche, dem Wort Gottes treu, kann
solche Entartungen nicht dulden.“

„Wo die alten Menschen nicht geehrt werden, gibt es keine Zukunft für die jungen Menschen.“
Zudem „ist der alte Mensch kein Fremder. Der alte Mensch sind wir: über kurz oder lang, auf jeden Fall
unvermeidlich, auch wenn wir nicht daran denken. Und wenn wir nicht lernen, die alten Menschen gut zu
behandeln, dann wird man uns ebenso behandeln.“ (Papst Franziskus, Generalaudienz, Mittwoch, 4.März
2015).

Vinzenz hatte diese Grundsätze verstanden. In den allgemeinen Regeln, den ersten Konstitutionen
der Kongregation der Mission, schreibt er:

„Etwas, das Jesus Christus tat und denen empfahl, die er in seinen Weinberg sandte, ist, für die
Kranken zu sorgen, besonders wenn sie arm sind, und sie zu besuchen. Deswegen muss es der
Genossenschaft ein besonderes Anliegen sein, die Kranken im Haus, aber auch Auswärtige, mit
Zustimmung des Superiors zu besuchen, ihnen Erleichterung zu verschaffen” (VI, 1).

„Wo immer wir einen Kranken besuchen, sei es im Hause oder auswärts, soll das niemals eine bloß
menschliche Begegnung sein; denn Jesus Christus sagt selbst, dass er es ist, dem wir den Dienst
erweisen” (VI, 2).

Der heilige Vinzenz von Paul hat sich mit folgenden Worten auch direkt an die Kranken gewandt:
„Unsere Kranken selbst müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur deswegen im Krankenzimmer
und im Bett sind, um Medikamente zu bekommen und geheilt zu werden. Sie sollen vielmehr die
christlichen Tugenden, vor allem die Geduld und die Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen
durch ihr gutes Beispiel wie von einer Kanzel aus lehren. So werden sie innerlich wachsen und für
die Besucher und das Pflegepersonal Christi Wohlgeruch sein” (VI, 3.).

Suchen wir in dieser Adventszeit in unseren Gemeinschaften, Familien und Gruppen mehr und
mehr den „lebendigen Schatz“ zu entdecken, der unsere kranken und älteren Menschen sind. Sie sind
die lebendige Gegenwart Jesu unter uns. Sie sind Jesus, dem wir alle unsere Liebe, alle unsere Fürsorge
schenken, die wir nach menschlichem Ermessen aufbringen können. Sie bleiben unsere Lehrmeister,
unsere Vorbilder und unsere Stütze beim Aufbau einer leuchtenden und hoffnungsvollen Zukunft, denn
Jesus ist es, der durch sie zu uns spricht und uns zeigt, auf welchem Fundament wir unsere Träume,
Hoffnungen und Ziele aufbauen sollen. Wir dürfen nicht der Mentalität gewisser Gesellschaftskreise
verfallen, die ältere und kranke Menschen als Abfall der Gesellschaft betrachten. Sobald der flüchtige
Moment der Freude vorbei ist, bleiben nur Trauer, Enttäuschung, Frustration und ein sinnloses Leben
zurück.

Vinzenz von Paul, der ein „Mystiker der Nächstenliebe“ geworden ist, verstand und lebte die
Beziehung zu den Kranken und älteren Menschen nach dem Vorbild Jesu.

Möge diese Adventszeit uns immer tiefer in die Botschaft Jesu bezüglich der kranken und älteren
Menschen eindringen lassen, damit wir, während wir uns auf die Geburt unseres Erlösers vorbereiten,
mit ihnen eine leuchtende und hoffnungsvolle Zukunft im Licht seiner Gegenwart aufbauen können.

Ihr Bruder im heiligen Vinzenz,

Tomaž Mavrič, CM

Vincentian Family Office — Oficina de la Familia Vicenciana — Bureau de la Famille Vincentienne


500 East Chelten Avenue, Philadelphia, PA 19144, USA
+1 (215) 715-3984 VFO@famvin.org http://www.famvin.org

You might also like